RUND UM DIE PSYCHOTHERAPIE
Hier finden Sie hilfreiche Information zum formalen Ablauf einer Psychotherapie, zur Wirkweise der psychotherapeutischen Behandlung, welche Personen Psychotherapie anbieten dürfen und welche psychotherapeutischen Verfahren in Deutschland anerkannt sind.
WIE LÄUFT EINE PSYCHOTHERAPIE AB?
Von der ersten Sitzung bis zur Nachsorge
Der Ablauf einer Psychotherapie ist gegliedert in Probatorik, Diagnostik, Antragsstellung, Therapie und Katamnese.
Die Probatorik umfasst bis zu 5 Sitzungen und dient vor allem dem gegenseitigen Kennenlernen sowie zur Sammlung der nötigen diagnostischen und anamnestischen Informationen zur Beantragung der Psychotherapie bei Ihrer Krankenkasse (sofern Sie nicht als Selbstzahler kommen). Die Diagnostik beinhaltet die Erhebung der aktuellen Symptomatik mithilfe psychologischer Fragebögen und Interviews. In der Regel findet die erste diagnostische Erhebung während der Probatorik statt. Zur Qualitätssicherung kann in der Mitte und am Ende der Therapie eine erneute Diagnostik stattfinden. Nachdem der Antrag auf Psychotherapie von Ihrer Krankenkasse bewilligt wurde, beginnt die eigentliche Psychotherapie. Ausgehend von der Komplexität der Symptomatik kann eine Kurzzeit- oder Langzeittherapie indiziert sein. Die Katamnese dient zur Nachsorge und findet ca. ein halbes Jahr nach Therapieende statt.
REDEN HILFT!
Psychotherapie ist wirksam und nachhaltig
In zahlreichen Studien und Metaanalysen der letzten 60 Jahre konnte eindeutig gezeigt werden, dass die Psychotherapie zur Behandlung und Linderung psychischer Störungen als klinisch wirksam, nebenwirkungsarm und nachhaltig gilt sowie im Vergleich zu anderen medizinischen Interventionen mit niedrigen Kosten einhergeht (vgl. Lamberts, 2012; Lambert & Ogles, 2004; Pfammatter & Tschacher, 2012; Grawe, 2000; Wampold, 2015, Wampold & imel, 2015). Die Psychotherapie gilt daher im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung als Krankenbehandlung, die mit oder ohne den Einsatz von psychopharmazeutischen Mitteln angewendet wird. Auch im Bereich der klinischen Relevanz, also was spürt der Patient subjektiv an Verbesserung in seinem Alltag, konnte gezeigt werden, dass die Psychotherapie zu einer bedeutsamen Verbesserung des Wohlbefindens führt, das Rückfallrisiko minimiert sowie zur Verbesserung des allgemeinen Funktionsniveaus der Patienten beiträgt (Lambert, 2013). Darüber hinaus wirkt sich die Psychotherapie auch positiv auf geringere Gesundheitskosten aus aufgrund seltenerer stationärer Aufnahmen, geringerer Medikamenteneinnahme und weniger ärztlicher Kontakte (Lambert, 2013).
IRGENDWAS MIT PSYCHO?!
Was ist der Unterschied zwischen Psychotherapeuten, Psychiatern, Psychologen und Psychotherapie nach dem Heilpraktikergesetz?*
Eine Psychotherapeut hat eine 3 – 5 Jahre andauernde postgraduale Ausbildung zum Psychologischen oder Ärztlichen Psychotherapeuten absolviert und diese mit der Approbation, der staatlichen Zulassung zur Heilkunde, abgeschlossen. Vorrausetzung für diese Ausbildung ist ein abgeschlossenes Psychologie- oder Medizinstudium. Psychiater sind auch Ärzte, die jedoch nach dem Studium eine 5-jährige Facharztausbildung zum Psychiater durchlaufen. Psychologische Psychotherapeuten und Ärzte sind durch die Approbation Diagnose- und Indikationsberechtigt. Das bedeutet, sie dürfen eine Diagnose stellen und eine entsprechende Therapie indizieren.
Ein Psychologe hat Psychologie studiert, was ihn jedoch nicht zu einer heilkundlichen Tätigkeit gemäß einer Approbation befähigt. In der Regel kann man als Psychologe beratend oder auch gutachterlich tätig werden, wie z.B. im Bereich der Arbeits- und Organisationpsychologie, Verkehrspsychologie, Schulpsychologie, Beratungsstellen im pädagogisch-psychologischen Bereich, usw.
Um Psychotherapie nach dem Heilpraktikergesetz (HeilprG) ausüben zu können bedarfs es einer Berufsausbildung zum Heilpraktiker mit einer anschließenden Prüfung beschränkt auf das Gebiet der Psychotherapie beim Gesundheitsamt.
PSYCHOTHERAPIE GLEICH PSYCHOTHERAPIE?
Überblick zu psychotherapeutischen Verfahren in Deutschland
In Deutschland sind zur Behandlung von psychischen Erkrankungen vier Psychotherapieverfahren anerkannt und erstattungsfähig: die Verhaltenstherapie, tiefenpsychologisch fundiert Psychotherapie, die analytische Psychotherapie und die Systemische Therapie (aktuell noch nicht erstattungsfähig).
Die Verhaltenstherapie basiert auf der Annahme, dass die Entwicklung psychischer Symptome mit dysfunktionalen Denk- und Verhaltensmustern (kognitive-behavioral) sowie dysfunktionalen Grundüberzeugungen über sich selbst zusammenhängen, die eine angemessene Bewältigung von Lebens- und Alltagsproblemen verhindern und zudem das Erleben negativer Emotionen fördern und aufrechterhalten. Ziel der Verhaltenstherapie ist es diese dysfunktionalen Muster und Überzeugungen in funktionale zu überführen, um nachfolgend auch das affektive Erleben in eine positive Richtung zu verändern. Des Weiteren wird der Patient dabei unterstützt aktuelle Problematiken im Hier und Jetzt selbstständig zu bewältigen, um langfristig sich selbst als wirksam und kompetent zu erleben.
Die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie ist die Weiterentwicklung der klassischen Psychoanalyse, arbeitet jedoch nicht überwiegend in der Vergangenheit, sondern hat wie die Verhaltenstherapie das Ziel aktuelle seelische Probleme zu lösen. Es wird angenommen, dass spezifischen Belastungssituationen im Erwachsenenalter zu einer Reaktualisierung verdrängter und unbewusster Konfliktmuster aus der Kindheit führen können. Diese Konfliktmuster beinhalten innere widersprüchliche Bestrebungen, die nicht gelöst werden können und über die Symptombildung einen äußeren Ausdruck gewinnen. Diese Konflikte sollen im Rahmen der therapeutischen Arbeit aufgedeckt und behandelt werden.
Die analytische Psychotherapie geht auf die von Sigmund Freud (1856 - 1939) mitbegründete Psychoanalyse zurück. Bei diesem Verfahren liegt der Patient im Gegensatz zu den anderen Verfahren auf der Couch. Der Psychoanalytiker sitzt meist hinter dem Patienten und nimmt eine neutrale Rolle, also nicht gesprächsgestaltend oder lenkend, ein. Dieses Setting soll dem Patienten zum „freien assoziieren“ verhelfen, sodass durch die Selbstreflektion verdrängte und unbewusste Konflikte zum Vorschein kommen und ins Bewusstsein dringen können. Dadurch können die Ursachen der Konfliktmuster aufgedeckt und verstanden werden. Die analytische Psychotherapie arbeitet daher vorwiegend in der Vergangenheit und hat eher das Verstehen als das Lösen von aktuellen Problemen zum Ziel.
Bei der Systemische Psychotherapie steht im Vergleich zu den anderen Verfahren nicht nur der Patient, sondern das System, dessen Teil er ist, im Fokus der therapeutischen Arbeit. Das System sind relevante Personen, mit denen der Patient in unmittelbarer Beziehung steht wie Familienmitglieder, Partner oder Arbeitskollegen. Es wird angenommen, dass psychische Symptome aufgrund problematischer und belastender Beziehungs- und Kommunikationsstrukturen innerhalb dieses Systems entstehen. Das Ziel der systemischen Therapie ist es Verständnis für die anderen Perspektive oder Position zu generieren (z.B. durch zirkuläres Fragen, Aufstellungen), um Veränderungs- und Lösungsprozesse zu ermöglichen. Systemische Ansätze werden häufig bei Familien- und Paartherapien sowie Organisationen angewendet.
* Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird im Text verallgemeinernd das generische Maskulinum verwendet. Diese Formulierungen umfassen gleichermaßen weibliche und männliche Personen; alle sind damit selbstverständlich gleichberechtigt angesprochen.
Quellenangaben:
Lambert, M. J. (2013). Outcome in psychotherapy: The past and important advances.
Lambert, M.J. & Ogles, B.M. (2004). The efficacy and effectiveness of psychotherapy. In M.J. Lambert (Ed.), Bergin and Garfield’s handbook of psychotherapy and behavior change. (5th ed., pp. 169 – 193). New York, NY: Wiley
Pfammatter, M., & Tschacher, W. (2015). Wirkfaktoren der Psychotherapie–eine Übersicht und Standortbestimmung. Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie.
Grawe, K. (2000). Psychologische Therapie (2., korrigierte Aufl.). Göttingen: Hogrefe Verl. für Psychologie.
Wampold, B. E. (2015). How important are the common factors in psychotherapy? An update. World Psychiatry, 14(3), 270-277.
Wampold, B. E., & Imel, Z. E. (2015). The great psychotherapy debate: The evidence for what makes psychotherapy work. Routledge.